Versailles: Absolutismus pur

Donnerstag, 27. Mai Am letzten Tag unseres Parisaufenthaltes besuchen wir eines d e r Wahrzeichen Frankreichs: Versailles, das Schloss Ludwig XIV. In ganz Europa wurde versucht, diesem Schloss nachzueifern, Würzburg inklusive.

Auf dem Weg nach Versailles zunächst ein ungewohnter Anblick: Leere Straßen in Paris!

Auch am Triumphbogen gähnende Leere!

Auch in Paris ist Christi Himmelfahrt ein Feiertag und da viele Schulen den Freitag als Brückentag gewählt haben, haben viele Pariser bereits am Mittwochnachmittag die Stadt verlassen, um die freien Tage auswärts zu verbringen. Und der Rest liegt offensichtlich noch im Bett.

Wir freien uns über die freie Fahrt und kommen nach einer guten halben Stunde in Versailles an.

Ursprünglich war Versailles ein Jagdschloss Ludwig XIII. gewesen. Ludwig XIV. erweiterte es zunächst und erklärte Versailles dann 1677 zu seiner Residenz. Diese Entscheidung hatte mehrere Gründe.

Nach dem Tod Ludwig XIII. war Ludwig XIV. noch zu jung, um direkt den Thron zu besteigen. Die Regentschaft seiner (österreichischen) Mutter Anna und des (italienischen) Kardinals Mazarin stieß zunehmend auf Widerstand. Adel und Parlament wollten die momentane Schwäche der Monarchie nutzen, um sich alte Rechte, die ihnen unter Ludwig XIII. beschnitten worden waren, wieder zu sichern. Darüber hinaus fühlten sich die Franzosen fremdregiert. Es kam zum Aufstand, der sog. fronde. Die königliche Familie musste bei Nacht und Nebel fliehen und lebte unter ärmlichen Umständen auf einem Landschloss. Dieses Erlebnis prägte den damals gerade zehnjährigen Ludwig XIV. und er konnte sich nie für Paris erwärmen. An Versailles, das Jagdschloss seines Vaters, hatte er hingegen gute Erinnerungen.

Den endgültigen Anstoß für den Bau der Residenz außerhalb der Hauptstadt lieferte wahrscheinlich der damalige Finanzminister Nicola Fouquet. Dieser hatte durch Finanztricksereien ein immenses Vermögen angehäuft, beging aber den Fehler, auf seinem aufsehenerregendem Schloss Vaux-le-Vicomte ein rauschendes Fest zu geben und den König dazu einzuladen.

Ludwig XIV. hatte schon länger den Verdacht gehabt, dass Fouquet den Staatshaushalt betrog und entsprechende Ermittlungen eingeleitet. Der demonstrativ zur Schau getragene Reichtum erregte den Zorn des Königs und zugleich kamen böse Erinnerungen an die Fronde hoch. Wenige Tage nach dem Fest wurde Fouquet verhaftet und in einem von zahlreichen Verletzungen von Verfahrensregeln durchzogenen Gerichtsverfahren zur Verbannung verurteilt. Ludwig XIV. wandelte das Urteil in lebenslange Haft um, da er befürchtete, dass Fouquet aus der Verbannung heraus politisch tätig werden könnte. Die nächsten knapp 20 Jahre verbrachte Fouquet in wechselnden Gefängnissen, bis er schließlich starb.

Ludwig XIV. hingegen beauftragte die Meister, die seinerzeit das Schluss Vaux-le-Vicomte gebaut hatten, mit der Umgestaltung von Versailles, wobei Bedingung war, dass das ursprüngliche Jagdschloss erhalten bliebe. Dieses bildet auch heute noch das Zentrum der Anlage und ist der Grund, warum die Frontseite von Versailles in Backstein gehalten ist, obwohl diese Bauweise zur Zeit der Umgestaltung nicht mehr üblich war.

1682 verfügte Ludwig XIV., dass der Adel nach Versailles ziehen musste und verkündete „L’État c’est moi.“ Damit hatte der König den Adel entmachtet, eine Wiederholung der Fronde war nicht mehr möglich, da Ludwig XIV. die Aristokratie in Versailles im Blick hatte.

Die Adeligen wurden für den politischen Machtverlust mit rauschenden Festen entschädigt. Ohne tatsächliche Aufgabe führte die Aristokratie im Laufe der Zeit allerdings ein immer dekadenteres Leben für das die einfachen Leute aufkommen musste, was rund 100 Jahre später mit zur Französische Revolution führen sollte.

Zwischenzeitlich wohnten rund 1.000 Personen in Versailles. Das Schloss ist zwar groß, aber dennoch kann man sich vorstellen, dass die Wohnungen der Adeligen von überschaubarer Größe gewesen sein dürften.

Ausreichend Platz hatten neben dem König und der Königin die Mätressen des Königs und dessen Kinder. Viele Einrichtungsgegenstände wurde während der Französischen Revolution oder später verkauft. Manche wurde (z.T. sehr teuer) später wieder zurückgekauft. Im Übrigen wurde das Mobiliar ergänzt.

Die Figuren stellen die vier Tageszeiten dar.

Die damalige Mode war nur mäßig praktisch. Auch der nachfolgende Stuhl war nicht zum Sitzen gedacht, sondern zum darauf seitlich Knien, um auf diese Weise an Brett- oder Kartenspielen teilnehmen zu können. Aus einer normalen Sitzposition wäre die Damen Dank der ausladenden Kleider nicht an den Tisch gekommen. Gut, dass sich nicht jeder Modetrend wiederholt ….

In diesem Flügel wohnten die Töchter und Mätressen des Königs. Königstochter zu sein klingt besser, als es tatsächlich war. Da die Erbfolge über die männliche Linie lief, waren Töchter eher nebensächlich, da sie vor allem Kosten verursachten (Stichwort: Mitgift – es kann ja nicht jeder so geschickt im Hochzeitsgeschäft unterwegs gewesen sein wie Österreich…). Besagte Madame Victoire, eine Tochter Ludwig XV., war z.B. zunächst unter dem Namen „5. Madame“ bekannt- man nummerierte die Töchter der Einfachheit erst einmal durch. Die Kindheit verbrachten weniger wichtige Kinder in der Regel in Klöstern und durften erst später (wenn überhaupt) an den Hof. Madame Victoire kam mit 15 Jahren nach Versailles.

Kinder von Mätressen wurden mitunter vom König anerkannt. Dann war ihnen Vermögen und gesellschaftlicher Status sicher.

Nach Ludwig XIV. die bekanntesten und auch letzten Bewohner von Versailles: Ludwig XVI. und Marie Antoinette.

Schlafzimmer von Marie Antoinette.

Die Schlosskirche

Ein für die deutsch-französische Geschichte bedeutsamer Raum ist der Spiegelsaal (Spiegelgalerie) in Versailles. Hier fand nach Ende des Deutsch-Französischen Kriegs 1871 die Kaiserproklamation statt, mit der das Deutsche Reich gegründet wurde. Für das französische Volk war dies eine Provokation sondergleichen, die die „Erbfeindschaft“ zwischen den Deutschen und Franzosen noch einmal befeuerte.

Folgerichtig wählten die Franzosen den Spiegelsaal zur Unterzeichnung des Friedensvertrags nach Beendigung des 1. Weltkriegs, um Deutschland zu demütigen.

Heute ist der Saal vor allem eines: voll.

Zeit, an die frische Luft zu gehen.

Die dem Garten zugewandte Fassade der Schlosses sieht ganz anders aus, als die Frontseite: Ludwig XIV. ließ das ursprüngliche Jagdschloss seines Vaters mit einer Art Mantel umbauen, der dann dem aktuellen Baustil entsprach.

Verena erläutert uns die Anlage, von der wir aufgrund der Größe nur einen Teil besichtigen werden können, zumal wir zu Fuß unterwegs sind. Die Bewohner von Versailles ließen sich in Kutschen durch den Park bringen. Natürlich.

Wir sind zur Sommerzeit da, wenn die Wasserspiele im Dienst sind. Das kostet natürlich extra Eintritt, allerdings ist der Garten groß mit vielen (!) Brunnen (um genau zu sein: 2.000) und der Unterhalt ist nicht günstig.

Das war zur Zeit Ludwig XIV. nicht anders. Hinzukam, dass es nicht ganz einfach war, den für die Wasserspiele erforderlichen Wasserdruck zu erreichen. So waren die Brunnen im Sommer nicht durchgängig an, sondern wurden erst dann betätigt, wenn der König sich näherte – um gleich wieder abgestellt zu werden, wenn er vorbei war.

Die Brunnen waren natürlich nicht einfach nur Brunnen. Sie waren auch Ausdruck des Selbstverständnisses des Königs. Oder eine freundliche Warnung an Aristokraten, die mit den politischen Verhältnissen vielleicht nicht ganz einverstanden waren. So stellt der Latonabrunnen im Zentrum des Petit Parcs eine Szene aus der griechischen Mythologie dar.

Leto war eine Geliebte des Göttervaters Zeus und gebar von ihm die Zwillinge Artemis und Apollon. Hera war eifersüchtig und versuchte mit allen Mitteln, die Geburt zu verhindern. Nach dennoch erfolgreicher Geburt verboten Bauern Leto, die weiterhin auf der Flucht war, aus einem See zu trinken. Zur Strafe wurden sie in Frösche verwandelt. Die am Brunnen dargestellte Szene zeigt den Moment der Verwandlung – eine Anspielung auf das Schicksal der rebellischen Adligen zur Zeit der Fronde.

Andere Brunnen zeigen die vier Jahreszeiten.

Als unterfränkische Gruppe spricht uns der Herbst besonders an.

Den pädagogischen Ansatz in Sachen „übermäßiger Weinkonsum“ nehmen wir zur Kenntnis. 😊🍷

Und hier gibt es einfach nur ein wunderbares Wasserspiel:

Mit Musik ist das Ganze noch schöner:

Der Garten hat aber nicht nur Springbrunnen zu bieten. Versteckt hinter einem kleinen Wäldchen befindet sich tatsächlich ein „Ballsaal“!

Ludwig XIV. liebte Musik, liebte den Tanz und war selbst ein sehr guter Tänzer. Am Abend erleuchteten Lichter das Rund, Wasserfälle begleiteten die Musik und der König tanzte mit den Tänzern – bis man ihm zu verstehen gab, dass sich so etwas für einen König nicht ziemte.

Der Park hält immer wieder interessante Perspektiven bereit.

Lange Zeit kein Gruppenfoto gemacht! 🙂

Nun geht es aber langsam zurück.

Ein letzter Blick auf den Park.

Und dann schließt sich das Tor von Versailles hinter uns.

Wobei: Versailles ist ja nicht nur das Schloss, sondern eine eigene kleine Stadt mit viel Charme.

Charmant sind auch die Müllboxen, die zum Müllsammeln und -trennen animieren sollen.

Weniger charmant sind die fliegenden Händler, die versuchen vor der Abfahrt ihre Waren bei uns loszuwerden. Auch hier hat die Pandemie ihre Wirkung gezeigt: Nach mageren zwei Jahren muss dringend Umsatz gemacht werden.

Wir machen uns aber auf den Rückweg und kommen dabei an manch bereits bestens bekannten Bauwerk vorbei:

Bei den Menschenmassen sind wir froh, dass wir bereits am Montagabend auf dem Eiffelturm waren und nicht wie ursprünglich geplant an diesem Nachmittag.

Am Ende der Busfahrt heißt es Abschied nehmen von unserer Gästeführerin Verena, die uns ganz wunderbar die letzten Tage in Paris und Umgebung begleitet und sich vor allem auf unser etwas ungewöhnliches Programm eingelassen hat. Es waren sehr schöne Tage und wir haben eine Menge über Stadt, Land und Leute erfahren! Wir bedanken uns mit einem Bocksbeutel unseres Jubiläumsweins und unserer Caritas Kaffeetasse – mit Spezialteebeuteln, versteht sich.

Un grand merci et à bientôt, Verena! 🙋🏻‍♀️

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